"Diese Seite ist optimiert für..." - oder wie verhindere ich aktiv den Besuch meiner Website
 
Übersicht
Seite drucken
Schon mal was von Usability gehört ?
 

Das haben Sie bestimmt schon oft gesehen: Sie folgen einer Verknüp- fung (engl. "link") und landen auf einer Begrüßungsseite. Die Leute, die diese Seite gestaltet haben, werden dafür wahrscheinlich bezahlt und man sollte erwarten, daß sie ein Interesse daran haben, Ihnen diese Seite schmackhaft zu machen und eine möglichst große Leserschaft zu haben.

Und das erste, was auf dem Bildschirm auftaucht, ist der Text "Diese Seite ist optimiert für Netscape Navigator und einer Auflösung von 800 x 600" - in großen hellgelben Buchstaben auf einem weißen Hinter- grund. Sie können es kaum lesen und weil Sie das Laden von Grafiken in Ihrem Browser vielleicht abgeschaltet haben, müssen Sie das feh- lende Bild auch noch nachträglich laden, um diesen Text zu sehen.

Wenn Ihnen das zum ersten Mal passiert, werden Sie vielleicht den- ken: "Es muß schon einen Grund haben, wieso Netscape Navigator und 800 x 600 das Beste für diese Seite ist". Und Sie stellen vielleicht Ihr Browser-Fenster auf die passende Größe ein. Normalerweise - falls Sie auch nur ein wenig von HTML verstehen - werden Sie es beim zweiten Mal nicht mehr glauben.

Hier sind einige Gründe, warum man eine Webseite nicht für bestimm- te Browser-Einstellungen entwerfen sollte und sich darauf verläßt, daß die Besucher sich danach richten.

 
Warum es eine schlechte Idee ist
 

Es gibt beim Marketing den Satz (vor allen Dingen in Deutschland): "Noch nie hat jemand eine Diskussion mit einem Kunden gewonnen". Besucher Ihrer Webseite sind Ihre Kunden, und wenn Sie ihnen erzählen, ihre Konfiguration sei falsch, fangen Sie an zu diskutieren.

Im Grunde sagen Sie den Leuten "Sie benutzen das falsche System". Das ist schon mehr als unhöflich. Und es gipfelt in einer Form von Nötigung. Sie nötigen Ihren Besucher, ein von ihnen für optimal befundenes System zu benutzen.

Die Leute haben meistens gute Gründe für ihr System. Wenn Sie die neueste Netscape-Version voraussetzen, sagen Sie NextStep-Anwendern, dass sie woanders hingehen sollen. Wenn Sie verschie- dene Erweiterungen (engl. "plug-ins") fordern, sagen Sie Leuten, die nicht Microsoft Windows benutzen, sie sollen verschwinden. Wenn Sie viele Grafiken ohne Alternativ-Text (sog. "alt-tags") benutzen, ist Ihre Seite für Leute mit langsamen Modems eine Zumutung. Können Sie sich vorstellen, was Ihr Chef sagen wird, wenn er erfährt, dass Sie unhöflich zu Kunden sind? Meistens ist der Webseiten-Eigentümer der Auftraggeber oder Chef des Webdesginers. Und Besucher sind Kunden des Eigentümers und nicht des Webdesigners. Aus diesem Grund gibt es eigentlich keinen Grund, wieso der Webdesigner sich um die Kun- den kümmern sollte. Er diskutiert mit den Kunden anderer. Für die Kunden sieht es aber so aus, als wenn der Eigentümer mit Ihnen diskutiert. Und - wie Kunden so sind - werden sie entsprechend reagieren.

In den meisten Fällen ist eine Fehlermeldung überhaupt nicht not- wendig. Es sieht so aus, als wenn sogenannte "Webdesigner" glauben, daß sie nicht im Trend liegen, wenn sie nicht die allerneuesten Erwei- terungen benutzen. Und um zu zeigen, wie toll sie sind, platzieren sie diese Warnung auf die erste Seite. Manche packen die Warnung sogar auf jede einzelne Seite. Auf den meisten dieser Seiten ist nichts zu sehen, für das man einen bestimmten Browser benötigen würde. Einige können sogar mit "Lynx" (einem Textbrowser) betrachtet werden, falls der Webdesigner nicht zu faul gewesen ist, die Bilder mit Alternativ-Texten zu versehen. Um es einmal klar auszudrücken: Wenn Sie schreiben "Diese Seite ist optimiert für XYZ", bedeutet das nicht "Ich bin auf dem aktuellen Stand der Technik" - es sagt vielmehr "Ich bin entweder zu faul oder zu inkompetent um eine ordentliche Seite zu erstellen, aber ich glaube es sieht toll aus wenn alle meine Einstellungen übernehmen". Ich habe viele Webseiten gesehen, Sie wahrscheinlich auch. Und ich habe noch keine Seite gesehen, bei denen diese Meldung Sinn gemacht hätte. Es gibt Seiten, die sagen "Wenn Sie die Klänge hören (oder die Videos sehen) möchten, brauchen Sie die Erweiterung XYZ", was u.U. Sinn macht. Aber Seiten die einfach nur so die Formulierung "Sie brauchen" verwenden, sind entweder den Besuch nicht wert oder könnten ganz einfach verändert werden, so dass sie mit jedem Browser funktionieren.

Und wenn eine Seite tatsächlich mit nur einem Browser betrachtet werden kann: das einzige was Sie damit erreichen, ist die Leute von Ihrer Seite fernzuhalten. Das ist nicht Ihre Absicht, oder? Falls doch, löschen Sie doch einfach Ihre Seite. Normalerweise werden sich die Leute keine extra Software installieren nur um Ihre Seite sehen zu können. Wenn ich Ihre Seite besuche, werde ich nicht einmal meine Schriftgröße ändern. Sie werden vielleicht sagen, dass die anderen Leute darüber anders denken, aber Sie haben keinen Beweis dafür, und, was viel wichtiger ist: Sie diskutieren schon wieder mit einem potentiellen Kunden!

Und noch etwas: Wenn Ihre Seite nicht mit Text-Browsern betrachtet werden kann, bedeutet das, dass blinde Menschen sie nicht lesen können. Es gibt natürlich Seiten und Informationen, die sind einfach für reine Text-Browser ungeeignet - ein Stadtplan zum Beispiel. Aber ich wette, dass das bei Ihrer Seite nicht der Fall ist.

 
Eine reale Browser-Konfiguration
 

Wenn Sie Ihre Seite für einen bestimmten Browser "optimieren", bedeutet das, daß sie für einen bestimmten Browser mit einer bestimmten Einstellung "optimiert" ist. Damit Sie einmal eine Vorstellung davon bekommen, wie unterschiedlich und mit welchen Einstellungen Benutzer arbeiten, beschreibe ich einige meiner Browser-Konfigurationen.

Die Konfiguration, die viele sogenannte "Webdesigner" meinen, ist: Neueste Version von Netscape Navigator, 800x600 Auflösung mit TrueColor (16 Mio. Farben) unter Windows, mit Shockwave, True- Audio, Video for Windows und Quicktime VR, Schriftgröße 12 pt für Times New Roman und 10 pt für Courier, Bilder laden eingeschaltet, Cookies akzeptieren und eine T1-Standleitung (1,5 MBit/s).

Meine erste Konfiguration ist: Netscape 2.02 mit Windows 3.1, 256 Farben bei 800x600 Auflösung mit einem Browserfenster von 400x600 das nur den halben Bildschirm ausfüllt. Bilder laden ist deaktiviert und meistens werden die Vorder- und Hintergrundfarben von meinen eigenen Einstellungen überschrieben (schwarz auf grau mit blauen Verknüpfungen). Java und JavaScript sind deaktiviert, da sie mit diesem Browser nicht sicher sind. Die Schriftgröße ist 16 pt für beide Schriften, die unproportionale Courier und die proportionale Times New Roman. Der Browser akzeptiert Cookies. Es sind keine Plug-Ins installiert und ich werde auch keine installieren. Der Computer ist über ein lokales Netzwerk mit dem Internet verbunden, welches wiederum über einen Laser mit einem Rechner verbunden ist, der die eigentliche Verbindung zum Internet hat. Wegen des Lasers hängt die verfügbare Geschwindigkeit vom Wetter ab: Bei Nebel oder einem Vogel, der an der falschen Stelle sitzt, ist manchmal überhaupt keine Verbindung möglich. (naja, E-Mail geht meistens noch...)

Meine zweite Konfiguration ist: Lynx 2.4.2 auf einem AIX rs/6000 System, verbunden über eine VT220 Emulation, Schwarzer Text auf weißem Hintergrund, VI-Tasten eingeschaltet.

Meine dritte Konfiguration ist: Netscape 3.0 auf einem Solaris-System, verbunden über ein X-Terminal mit ziemlich wenig Speicher (wenn es zu bunt wird, muß ich neu starten), Java ist eingeschaltet, JavaScript aus. Ich weiß die Auflösung nicht und das Browser-Fenster nimmt die rechte Hälfte des Bildschirms ein. Die Schriftgröße ist 18 pt, Bilder laden ist normalerweise eingeschaltet.

Meine Browser-Software installiere ich nicht selbst auf diesen Systemen, deshalb kann ich mir auch nicht "den geeigneten Browser" einfach herunterladen. Es gibt Seiten, wo ich die Bilder lade und die Farbeinstel- lungen akzeptiere, aber ich habe auch Seiten gesehen, wo ich das besser nicht mache.

 
Situationen, die Ihre Optimierung scheitern lassen
 
Schriftgröße

So wie ich, stellen auch viele andere Leute eine Schriftgröße ein, die sie für sich als geeignet empfinden. Normalerweise sind die Standard-Schrift- größen zu klein. Deshalb zu sagen, eine Seite ist "optimiert für 800x600" ist vollkommen sinnlos, falls die Seite vorwiegend aus Text besteht oder das Laden der Bilder deaktiviert ist. Die Leute stellen Ihre Schriftgröße entweder so ein, daß sie für ein Fenster in voller Bild- schirmgröße paßt, oder auch für Ihre normale Fenstergröße, die bei mir eben 400x600 ist. Ihre Seite kann mit verschiedenen Schrift- und Fenstergrößen vollkommen anders aussehen. Ihre Information könnte sogar unlesbar werden. Die individuelle Schriftgröße kann besonders bei Rahmen (engl. "Frames") und Tabellen zu Problemen führen. Enthalten diese Text, ist er vielleicht nicht lesbar. Es gibt Webseiten, die Frames mit absoluten Größen haben, nicht scrollbar sind und Text enthalten. Wenn nun meine Schriftgröße über der erwarteten liegt, ist der Text nicht komplett. Jeder Frame, der Text enthält, sollte scrollbar sein. Aber auch dann können lange Worte zu Problemen führen.

Abgeschaltete Bilder

Das Laden von Bildern benötigt Zeit. Die meisten Bilder im WWW sind diese Zeit nicht wert. Deshalb deaktivieren viele Anwender das Laden von Bildern. (Wenn sie unbedingt warten wollen, gehen sie zur Bushaltestelle und nicht zu Ihrer Webseite. Denn das Warten auf den Bus kostet sie keine Online-Gebühren.) Ihre wundervolle Seite könnte jetzt ein Haufen Schrott sein. Oder sie könnte immer noch gut aus- sehen - es hängt von Ihnen ab. Erstens ist es gewöhnlich eine schlech- te Idee, Text in Grafiken zu setzen. Ein Wort braucht nur ein paar Bytes, aber wenn Sie es in ein Bild packen, werden daraus einige Kilobytes, und der IMG-Befehl zum Einbauen des Bilds braucht auch noch ein paar Bytes. Wenn Sie sich trotzdem dazu entschließen, dann benutzen Sie wenigstens das ALT-Attribut für einen Bild-Ersatztext. Es ist einfach und wahrscheinlich werden sich ein paar Ihrer potentiellen Kunden darüber freuen.

Wenn Sie das ALT-Attribut nicht benutzen, schaden Sie nicht nur Lynx-Nutzern, die keine Grafiken sehen können. Sie schaden sich selbst: die Leute, die Bilder ausgeschaltet haben, müssen jetzt extra das Bild laden, weil es kein ALT-Attribut gibt. Die Zeit, die sie zum warten benötigen, könnten sie sinnvoller mit dem Lesen der Informationen verbringen, die Ihre Webseite sonst noch bietet. Es ist in Ordnung, wenn das Bild Teil der Information ist. Aber wenn das Bild nur Ihr Logo oder einen Text enthält, hätte es dem Kunden viel Zeit gespart.

Zusätzlich zum ALT-Text sollten Sie für die Nutzer, die das Laden von Bildern deaktiviert haben, auch noch im BODY-Tag die Farbe für den Hintergrund eintragen, die ggf. der Farbe des (nun fehlenden) Hintergrundbilds entspricht.

Überschreiben von Seitenfarben

Ja, es gibt tatsächlich Anwender, die ihre eigenen Farben einstellen, um Ihre Seite zu betrachten. Und, ja, sie haben gute Gründe dafür: sie könnten einen Schwarzweiß- Bildschirm haben, oder sie besuchen öfter Seiten, die blaue Farbe für normalen Text verwenden (das machen Sie doch nicht, oder?), oder sie könnten Farbenblind sein und z.B. nicht zwischen grün und rot unterscheiden, oder sie können keine Hintergrundbilder mehr ertragen, die es ihnen schwer machen, den Text zu lesen. Er sind immer noch Ihre Besucher, Ihre Kunden, und Sie sollten ihnen Ihre Webseiten schmackhaft machen, denn Sie wollen ihre Aufmerksamkeit, ihr Geld und ihre Rückmeldungen. Das bedeutet:

  • Sie sollten nicht <FONT COLOR=...> tags benutzen, weil es vielleicht unglücklicherweise ihre Hintergrundfarbe sein könnte oder weil sie diese Farbe auf einem schwarzeißen Monitor vielleicht nicht vom Hintergrund unterscheiden können
  • Wenn Sie Farben im <body>-Tag vorgeben, müssen Sie alle Farben vorgeben: Hintergrund, Verknüpfung, aktive Verknüpfung und Textfarbe. Sie müssen auch dann alle Farben vorgeben, wenn Sie ein Hintergrundbild im <body>-Tag angeben. Die Hintergrundfarbe sollte in etwa der Farbe Ihres Hintergrundbildes entsprechen. Dies ist notwendig, falls der Besucher das automatische Laden von Bildern aufgeschaltet hat.

Ausgeschaltetes Java/JavaScript

Falls Ihre Seite für grundlegende Funktionen Java oder JavaScript benutzt, sollten Sie wissen, daß viele Anwender Java und JavaScript aus Sicher- heitsgründen abschalten. Im Moment sind in den aktuellen Java-Implemen- tationen zwar keine Sicherheitslöcher bekannt, aber viele Leute benutzen ältere Browser, da sie den aktuellen Browsern nicht trauen oder einfach keine Zeit mit Lauftexten oder Animationen verschwenden wollen.

Hinweis: Wenn Sie JavaScript benutzen, sorgen Sie dafür, daß Ihr Code als Kommentar versteckt ist und nicht die Zeichen "--" und > enthält, sodass ältere Browser nicht den Quell-Code anzeigen. Es ist keine gute Idee, dass Sie Ihre Seite für einen Teil der Besucher unlesbar machen, nur damit ein anderer Teil einen "tollen" Lauftext in der Statuszeile Ihres Browsers sehen, den sie dort aber gar nicht haben wollen. Die meisten JavaScript-Funktio- nen, die Sie im WWW finden, sind ihre Ladezeit nicht wert.

Cookies nicht akzeptiert

Dies ist nichts, das man sehen kann, sondern Funktionalität: Es gibt nicht nur Browser, die keine Cookies verarbeiten können, sondern es gibt auch Benutzer mit cookie-fähigen Browsern, die diese jedoch abschalten. Es gibt mehrere Möglichkeiten, das zu tun. Eine Möglichkeit (für Netscape unter UNIX) ist, die Cookie-Datei mit "/dev/null" zu verbinden. Anwender können auch ihren Proxy-Server so konfigurieren, dass er alle Cookies entfernt. Wenn also Ihr Einkaufswagen von Cookies abhängt, werde ich vielleicht zu Ihrer Konkurrenz wechseln, die CGI mit der "GET"-Methode benutzt, gültigen HTML 3.2 Code verwendet und sogar LYNX unterstützt.

 
Was die Leute Ihnen erzählen werden
 
OK, Sie haben mir also zugehört und sind auch fast davon überzeugt, aber die Leute, die diese Seite (oder Ihre Seite) entwickelt haben werden Ihnen erzählen, daß sie genauso sein muß, weil:

"95% unserer Zugriffe sind sowieso Netscape-Anwender"

Ach wirklich? Lassen wir uns für einen Moment annehmen, dass die Server-Statistik genau dies aussagt.

Nun zu diesen "Zugriffen", wieviele hatten das automatische Laden von Bildern aktiviert? Die Anwender, die mit ausgeschalteten Grafiken surfen, erzeugen weniger Zugriffe, weil sie eben auf keine Bilder vom Server zugreifen. Um zu aussagekräftigen Zahhlen zu kommen, benötigen Sie "Besucher" und nicht "Zugriffe". Denn Sie verkaufen Ihre Produkte nicht an Zugriffe sondern an Besucher, nicht wahr?

Wieviele von diesen Besuchern arbeiten mit Netscape und wieviele mit dem Browser von Microsoft (der sich genau wie Netscape mit dem Namen "Mozilla" meldet)?

Auch wenn Sie Benutzer zählen und Browser sorgfältig unterscheiden, können Sie der Statistik nicht trauen: Wieviele Ihrer Besucher benutzen Proxy-Server? Wenn hundert Leute mit einem alten AOL-Browser (ohne Tabellendarstellung) Ihre Seite pro Tag besuchen, werden Sie für alle zusammen nur einen Zugriff erhalten. Wenn jeder einzelne der 4.000 Studenten der Universität Münster mit Internet-Zugang Ihre Seite besuchen, werden Sie auch nur einen Zugriff verzeichnet haben. Sie haben keine Chance, die Besucherzahl zuverlässig festzustellen, außer Sie manipulieren die HTTP-Header, um Caching zu verhindern. Wenn Sie das jedoch machen, brauchen Ihre Seiten viel länger zum Laden und Sie können sicher sein, daß nicht alle der 4.000 Studenten Ihre Seite besuchen werden.

Nun, lassen Sie uns damit weitermachen, daß wir einfach diese Statistik nehmen, die uns sagt daß 95% unserer Besucher Netscape oder Microsoft benutzen. Deshalb erzählt man Ihnen, ist es vollkommen in Ordnung, daß die Webseiten für diese Browser optimiert werden. Lassen Sie uns einen Moment annehmen, daß Sie deshalb 5% Ihrer potentiellen Kunden verlieren - bei den vielen Millionen dort draußen, was macht das schon?

Diese 95% sind keine homogene Gruppe von Anwendern: etwa 30% von Ihnen schalten das automatische Laden von Bildern ab (diese Zahl wurde von verschiedenen Leuten aus der News-Gruppe "comp.infosystems.www.authoring.html" festgestellt). Sie werden sich fragen, wieso die das machen, wo Sie doch eine Menge Geld für die Produktion der Bilder aufgewendet haben. Aber die Leute sind eben verschieden und verstehen nicht, wieso die anderen 70% nicht auch Ihre Bilder abschalten. Einige Besucher klicken sogar auf den "STOP"-Knopf des Browsers, um das Laden der Bilder abzubrechen, weil sie nicht so lange warten wollen. Wenn Sie also diese 30% nicht verlieren wollen, sollten Sie Ihre Seiten so gestalten, daß sie mit Netscape Navigator und MSIE auch ohne Bilder funktionieren. Da Sie dies jetzt wissen, haben Sie jemals Ihre Seiten mit abgeschalteten Bildern betrachtet? Oder haben Sie sie nur bei einer Demonstration gesehen, wo die Seiten von einer schnellen Festplatte geladen werden?

In den folgenden Abschnitten werde ich einmal einige Extremfälle aufführen, die rein fiktiv sind. Wenn Sie sagen, das sei nicht realistisch, stimme ich Ihnen zu. Wenn Sie genauere Zahlen haben, würde ich mich freuen und meine korrigieren. Ich bin aber sicher, daß die Schlußfolgerungen immer noch gültig sein werden. Halten Sie sich nicht an den Zahlen fest, sondern nehmen Sie zur Kenntnis, daß es signifikante Gruppen von Benutzern mit unterschiedlichen Computer-Systemen gibt:

Von den 95%, von denen wir ausgehen sollten - wie Sie vorgeschlagen hatten - haben mindestens 10% nicht die Bildschirmauflösung von 800x600 oder größer. Weitere 5% haben zwar diese Bildschirmauflösung, ziehen aber Ihr Fenster normalerweise nicht auf volle Bildschirmgröße auf. Weitere etwa 30% haben eine höhere Auflösung als 800x600, und eine andere Gruppe haben Ihre Schriftgröße so eingestellt, daß sie den Text besser lesen können. Also funktioniert eine Optimierung auf eine bestimmte Bildschirmgröße einfach nicht. Zum Schluß stehen Sie da mit deutlich unter 50% Ihrer "Netscape-kompatiblen" Besucher wenn Sie Ihre Seiten für eine Auflösung von 800x600 optimieren. Das können Sie sich wohl kaum erlauben.

Ihnen wurde erzählt, daß Sie einige schicke Grafiken und Skripte haben müssen. Wir haben entschieden, daß 95% aller Besucher Netscape Navigator und MSIE benutzen und beide unterstützen diese tollen Erweiterungen (Plug-ins) für Echtzeit-Audio und -Video. Sie haben das von Ihrer lokalen Festplatte aus getestet und waren sehr beeindruckt. Aber Sie sind mißtrauisch und möchten gerne wissen, wieviele Besucher tatsächlich davon profitieren. "Kein Problem, wir machen einfach eine Verknüpfung zu einer Seiten, wo die Leute sich die notwendige Software herunterladen können, und jeder kann es dann nutzen."

Nun, dies alles läuft auf MS Windows, ist für andere Systemen aber oft nicht verfügbar. Unglücklicherweise benutzen einige der Besucher Modems mit vielleicht 28.8 kBit/s oder sogar nur 14.4 kBit/s (keuch!). Und nein, es nützt nichts, wenn Sie einen Internet-Zugang mit 45 MBit haben - die meisten Leute empfangen diese Audio- und Video-Daten über eine Modem-Verbindung. Und natürlich möchten nicht alle diese Leute unbedingt Ihren Firmen Musik-Clip hören, vielleicht empfinden es etliche als Belästigung und ignorieren einfach Ihre tollen Angebote. Ich gehöre auch dazu, weil ich in einem Computer keine Sound-Karte habe, auf einem anderen keinen Windows-Treiber für die Karte und die Lautsprecher, die an die SUN-Station angeschlossen sind, mit der ich normalerweise arbeite, befinden sich in einem ganz anderen Teil des Gebäudes als mein X-Terminal. Deshalb höre ich Ihre Firmen-Musik wenn überhaupt nur über den kleinen PC-Lautsprecher - da singe ich es lieber selbst. Und wenn auch tatsächlich einige Besucher Ihre Multimedia-Datei herunterladen, ist das tatsächlich unbedingt notwendige Information? Wenn ja, dann müßten Sie - falls das Internet nicht existieren würde - diese den Kunden unbedingt per E-Mail zuschicken, so wie Sie es auch früher mit Katalogen per Post gemacht haben.

Von "Ihren" 95% sind etliche müde, immer diese "Besorgen Sie sich den neuesten Browser"-Meldungen zu sehen, jedesmal wenn eine neue Version dieser megabytefressenden Programme veröffentlicht wird. Unglücklicherweise, wenn Ihre Seite für eine bestimmte Version eines bestimmten Browsers entwickelt wurde, könnte es Probleme geben, denn die Browser verändern sich. Ihre Seiten, die so gut aussehen, könnten an einer neuen Version scheitern. Und Ihr JavaScript könnte mit der neuen Version eine Fehlermeldung anzeigen.

Glücklicherweise werden die Leute, die Ihnen diese Seiten erstellt haben, sich darüber freuen, nun alle Fehler zu beheben. Sie werden sogar Ihre Seite wieder für den neuen Browser "optimieren", und Sie werden das natürlich kostenlos für Sie machen. Natürlich haben sie nun soviel mit dem Erstellen des HTML-Codes zu tun, daß sie gar keine Zeit haben, die Seite mit anderen Browsern oder Voreinstellungen als ihrer eigenen zu testen, geschweige sie mit einem Validator gegen eine DTD zu prüfen. Aber hey, 95% der Leute benutzen doch sowieso diesen Browser!

Bitte achten Sie darauf, daß wir noch gar nicht daran gedacht haben, daß vielleicht einige Leute einen alten Browser verwenden. Ich zum Beispiel benutze Netscape 2.02 (oder Lynx 2.4.2, das veraltet ist - "Bitte laden Sie sich Lynx 2.6 JETZT herunter!").

Dann müssen wir eine zweite Version entwickeln und pflegen

Das ist nicht wahr. Es gibt alternative Attribute (ALT-Tags) für integrierte Bilder. Ich kenne nur zwei Gründe, warum jemand zwei Versionen entwickeln sollte:

1. Für eine Version ohne Rahmen (Noframe) für Benutzer, die einen frame-fähigen Browser haben, aber keine Frames benutzen wollen.
2. Für eine Text-Version, die den gleichen Inhalt wie die normale Version hat, aber schneller lädt, da sie wenige (oder keine) Grafiken, und keine JavaScripts und Frames enthält.

Wenn Sie nicht wissen, wie man korrektes, skalierbares und funktionierendes HTML schreibt, ist es vielleicht Zeit sich eine tatsächliche HTML-Referenz herunterzuladen. Wenn nicht für sich selbst, dann aber vielleicht für Ihren Webdesigner.

 
zusammenfassung
 
OK, wenn Sie bis jetzt noch nicht überzeugt sind: Stellen Sie sich vor, daß ich Ihr Kunde bin. Ich habe eine halbe Stunde Zeit und habe vor, in dieser halben Stunde Ihre Webseite zu besuchen. Ich werde Ihnen nicht erzählen, welchen Browser mit welchen Voreinstellungen ich benutze. Werden Sie mich in einer höflichen Art willkommen heißen oder mir mitteilen, dass ich nicht "cool" genug bin um Ihr Kunde zu werden? Außerdem habe ich nur noch 20 Dollar. Ich kann sie für Telefon- und Online-Kosten ausgeben oder sie für Ihre Produkte verwenden. Welche Alternative würde Sie bevorzugen?
Auch wenn Sie auf mich als Kunden verzichten könnten: Wenn mich Ihre Internet-Präsenz von den Vorteilen Ihres Produkts überzeugt, könnte ich es anderen Leuten empfehlen - aber dazu benötige ich Informationen. Ich werde Ihr Produkt nicht empfehlen, nur weil Ihre Webseite so nett aussieht. Nicht einmal, wenn Ihr Produkt ein Programm zur Erstellung von Webseiten wäre.

Schauen Sie die Beispiele, dann erkennen Sie was wir meinen:

Beispiele: I | II | III | IV | V | VI

 


zurück